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Power to the Facebook-Gruppe
Die New York Times lässt ihre Koch-Community ziehen +++ Ein Typ, der schlimmer ist als der Carbonara-Typ +++ Eine Reality-Show über das Internet
kleiner format-shake-up diese woche: drei etwas kompaktere storys statt einem längeren stück. wahrscheinlich wird cool genug in zukunft öfter so aussehen. wenn ihr eh keinen unterschied merkt, schlagt euch eine schaufel gegen den kopf um diese nachricht wieder zu vergessen. :)
außerdem: meine br-kollegin aylin dogan und ich haben vor einem halben jahr als teil der “zündfunk generator”-reihe eine podcast-sendung über “cancel culture” gemacht. ich würde gerne behaupten, dass der begriff zu dem zeitpunkt noch nicht so diskurszerstört war wie jetzt, bin mir aber ehrlich nicht sicher. anyway, wir haben damit den rias-medienpreis in der kategorie radio gewonnen und stehen damit auf der website immerhin direkt unter ingo zamperoni. wenn ihr die sendung hören wollt, klickt hier - ich bin immer noch ziemlich happy damit.
Eine Facebook-Gruppe außer Kontrolle
Kein Tweet hat mich letzte Woche so sehr in seinen Bann gezogen wie dieser:

Zum Glück wissen wir mittlerweile ein bisschen mehr - auch wenn der Tweet die Story sehr gut zusammenfasst.
Wie viele News-Outlets (unter anderem der Zündfunk, einer meiner Arbeitgeber), hat die New York Times in den letzten Jahren damit begonnen, Facebook-Gruppen zum Community-Aufbau zu benutzen. In diesem Fall für die recht populäre NYT Cooking-Marke, der wir unter anderem dieses übermenschlich gute Lasagne-Rezept verdanken.
Die “The New York Times Cooking Community” wuchs schnell und bekam bald den Ruf, recht chaotisch zu sein. Im US-Wahlkampf 2020 kam es dann zu einer ersten großen Kontroverse - das Moderationsteam entfernte einen “Go Vote”-Post mit der Begründung, dass er nichts mit Essen zu tun habe. Viele in der Community waren wütend über diese Entscheidung - und reagierten mit rebellischen Posts.


Jetzt - ein halbes Jahr später - zieht die New York Times endlich den Stecker. Im Nieman Lab gibt es eine gute Analyse über das Chaos, das letztlich zu dieser Entscheidung geführt hat, inklusive der Tatsache, dass es schon jetzt innerhalb der Gruppe Verschwörungstheorien über die “wahren” Gründe hinter der Entscheidung gibt. Für jeden, der mal Community Management gemacht hat, ist die Geschichte aber sofort einleuchtend: Viel zu viel Arbeit für zu wenig Ertrag.
Die Gruppe wird wohl weiter existieren, dann allerdings frei moderiert von Mitgliedern der Community. Die New York Times zieht sich jedenfalls zurück. Ein bisschen wie Dr. Frankenstein, der lernen muss, sein Monster frei gehen zu lassen.*
*Falls ihr Frankenstein gelesen habt und wisst, dass das nicht ganz dem Ende von Frankenstein entspricht, sorry
Denk bitte an die Sparquote, Schatz
In der ersten Ausgabe dieses Newsletters im Januar habe ich die Geschichte des “Carbonara-Typen” erzählt - ein User im Reddit-Forum /r/finanzen, der so besessen von guter Haushaltsführung war, dass er sich weigern wollte, mit den Eltern seiner Freundin essen zu gehen und stattdessen anbot, möglichst billig Spaghetti Carbonara zu kochen. Nicht aus Geldnot, sondern aus Prinzip.
Mit Freude kann ich mitteilen, dass der Carbonara-Typ mittlerweile durch einen noch kurioseren Typen abgelöst wurde. In einem Post namens “Geld ist nicht alles im Leben” berichtet ein anderer /r/finanzen-User, wie ihn seine enorme Sparsamkeit in eine persönliche Krise geführt hat.
Angefangen hat alles im Studium. Bereits dort habe ich mich intensiv mit dem Thema Finanzen beschäftigt und meine damalige Freundin in das Thema mehr oder weniger mit reingezogen. Wir haben damals zusammen gewohnt, waren glücklich und das erste Kind war auf dem Weg. Doch ich habe mich immer mehr verändert, habe jeden Cent mehrfach umgedreht, die Essenspläne und Einkaufszettel in pingeliger Kleinstarbeit geschrieben, um möglichst viel zu sparen. Zu Beginn ging dies auch alles gut, bis ich mit dem Studium fertig wurde.
Wir hatten plötzlich mehr Geld, als wir je hatten und meine Freundin schlug vor, dass wir doch aus der 35qm Wohnung ausziehen könnten. Habe dies strikt abgelehnt, um die Gefahr einer Lifestyle Inflation zu vermeiden und wurde von Tag zu Tag knauseriger(nie ins Restaurant gehen, nur Leitungswaser Zuhause trinken, alles gebraucht kaufen, Essen für 5 Tage kochen etc). Im Supermarkt habe ich dann eines Tages überreagiert und es kam zu folgender Situation, welche auch das Ende unserer Beziehung geführt und ein Umdenken bei mir angeregt hat:
Wir sind durch das Erbe in das Haus gezogen und waren einkaufen, wo meine Partnerin den Einkaufswagen mit Dingen gefüllt hat, die nicht auf der Liste standen. Auf meine Frage, was dies soll meinte sie nur, dass die halt Lust auf ein paar zusätzliche Lebensmittel hat. Dann bin ich etwas sauer geworden und habe ihr mit dem Satz "Schatz, denk bitte an die Sparquote, okay?" versucht, ins Gewissen zu reden. Dies hat jedoch nur dazu geführt, dass die Situation übergekocht ist und ich letztendlich den Einkaufswagen umgeworfen habe. Meine Freundin ist heulend aus dem Laden gerannt, mit dem Auto nach Hause und hat ihre Sachen gepackt, was das Ende unserer Beziehung bedeutete. Sie war die einzige Person, mit der ich wirklich etwas gemeinsam hatte und zu der ich privat Kontakt habe.
Diese Geschichte, die mit ca. 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit erfunden ist, hat auf /r/finanzen eine neue Hohn-Welle ausgelöst, welche der digitalen “Frugal”-Community wegen ihrer enormen Knausrigkeit die, wie die Kids sagen, Ehre nimmt. Ich find’s gut.
TV-News für Leute mit VPN
Es ist gerade eine sehr schwere Zeit für Reality-TV. Zumindest die aktuellen Staffeln von Germany’s Next Topmodel und dem Bachelor sind geprägt davon, dass sämtliche Kandidatinnen so schlechtgelaunt aussehen, als hätte man ihnen mitgeteilt, Simon Desue käme gleich zu Besuch. Was komplett verständlich ist: Noch vor einer Staffel sind die Kandidatinnen mit Heidi Klum rund um die Welt geflogen, jetzt sitzen sie über Wochen in einem stinkenden Loft in Berlin fest. Niemand ist glücklich, alle sind wütend.
Aber: Es gibt eine Reality-Show, die pandemie-proof ist.
Seit letzter Woche läuft die dritte Staffel von The Circle (nicht zu verwechseln mit dem nicht sehr guten Dave Eggers-Buch oder der bedauerlich furchtbaren Verfilmung desselben mit Emma Watson): eine britische Reality-Show auf Channel 4, die via Netflix auch schon in die USA, nach Brasilien und nach Frankreich verkauft wurde.
The Circle ist eine Big Brother-mäßige Reality Show, in der eine Gruppe von Kandidatinnen und Kandidaten in einem Haus lebt, und Beziehungen und Feindschaften aufbaut, bis nur noch der Gewinner übrig bleibt. Allerdings gibt es folgende Komplikationen:
Erstens: Nicht das Publikum entscheidet, wer ausscheidet, sondern die Spieler selbst
Zweitens (und wichtigstens): Jede Teilnehmerin sitzt in einem Raum für sich und kommuniziert mit dem Rest des Hauses nur via Text-Nachrichten. Bedeutet: Niemand weiß, ob die Person, mit der er gerade schreibt, wirklich ist, wer sie vorgibt zu sein. Manche Spieler nehmen als sie selbst teil, andere sind “Catfish” und spielen als Fake-Personen.
Das Ganze wurde vor allem in den ersten Staffeln noch ein bisschen als soziales Experiment verkauft (“Wie sehr lassen wir uns von Oberflächlichkeiten blenden?” und so), ist aber mittlerweile einfach eine Spielwiese für absurde Szenarien, die die Mechaniken von Online-Kommunikation auf Reality-TV-Mechaniken treffen lassen.
Aktuelles Beispiel aus der gerade laufenden Staffel: Nachdem eine Spielerin, Yolanda, am Ende einer Folge ausgeschieden war, wurde sie wieder zurück ins Spiel geholt. Die anderen Spieler wussten aber nichts davon. Statt als sie selbst aufzutreten, durfte Yolanda sich aber die Identität einer anderen Spielerin aussuchen, um diese quasi zu klonen. Die Folge: Zwei Frauen namens Tally im Chat, die beide behaupten, die echte Tally zu sein.
Es ist good stuff.

Außerdem
Eine Recherche von Business Insider über Vorwürfe sexueller Gewalt hat einen gigantischen Skandal rund um den Hollywood-YouTuber David Dobrik offengelegt. Es ist die bislang größte MeToo-Story im YouTube/Influencer-Lager und ich empfehle vor allem den New York Times-Text von Taylor Lorenz dazu
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Das Meme
bye, und denkt bitte an die sparquote.
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