Es gibt nichts Langweiligeres als ein rechtes soziales Netzwerk
Parler, "TheDonald" und das Scheitern des Pro-Trump-Internets +++ Bibi versteigert Schimmelhülle +++ Bär trifft Kaninchen
das ist die kleinbuchstaben-begrüßung zur zweiten ausgabe von cool genug (falls du nicht mitbekommen hast, dass es eine erste gab: es ging um verrückte trader auf reddit).
es war die wahrscheinlich ereignisreichste social media-woche seit social media erfunden wurde. statt mich mit der wandelnden rolle von staatsoberhäuptern im netz oder mit dem instagram-faktor des kapitol-sturms oder dem einfluss von verschwörungstheorien auf denselben zu beschäftigen, geht es heute um die alternative social media-welt, in die trump nach seinen ganzen sperrungen wechseln könnte.
ein “upside down” fürs internet.
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Parler und der Rest des rechten Internets sind noch schlechter als du dachtest
Parler steckt ziemlich in der Tinte. Sämtliche Geschäftspartner lassen das “Free Spech Social Network” gerade fallen wie eine veraltete TikTok-Challenge - und das obwohl dank der Massenpurge von Trump- und Pro-Trump-Accounts auf Twitter gerade jetzt eine Marktlücke für eine Trump-kompatible Social Media-Seite da ist. Für viele Rechte ist die Entwicklung nur die neueste Gelegenheit, um ein Alt-Right-Langzeit-Projekt voranzutreiben: Das Schaffen eines “alternativen Internets”, in dem es Plattformen gibt, die genau funktionieren wie ihre Vorbilder, aber ihren Usern Hakenkreuze und rassistische Beleidigungen erlauben.
Es gibt jetzt schon mit Bitchute ein rechtes YouTube, mit Gab ein rechtes Facebook, mit Parler ein rechtes Twitter, mit Voat ein rechtes Reddit* und mit ThinkSpot sogar ein rechtes Patreon. Diese Plattformen sind so etwas wie die ultimativen Filterblasen. Wie mein Brudi Christian Schiffer im November für den Zündfunk geschrieben hat:
Parler erlebt gerade einen regelrechten Boom und hat insgesamt schon über 8 Millionen Mitglieder. Wer sich dort umschaut, der findet vor allem eine klebrige Mischung aus Rassismus, Verschwörungstheorien und Fake News vor, man watet förmlich durch einen Morast aus Postings, die vermutlich auf anderen Plattformen gesperrt oder zumindest mit einem Warnhinweis versehen worden wären. Abweichende Meinungen? Debatten? Diskussionen? Streit? All das sucht man hier vergeblich.
Ich gehe nicht davon aus, dass Parler es mit seinen aktuellen Problemen wieder aus dem Dreck schaffen wird, aber es wird irgendwann ein neues Parler geben - vielleicht dann in einer Zeit mit weniger politischem Druck. Und was dann? Könnte diese ultimative Form der Filterblase zu noch mehr Radikalisierung führen? Zu einem zweigeteilten Internet? Es gibt da gute Argumente in die eine wie die andere Richtung - ich möchte aber diese Woche aber einfach mal eine hoffentlich erfrischend trockene These in den Raum werfen:
Meiner Ansicht nach spricht wenig dafür, dass eine primär rechte Social Media-Plattform je skalierbaren Erfolg haben wird. Auch wenn Apple, Google etc sie gewähren lassen würden.
Um zu klären, warum: Wie sehen diese Plattformen überhaupt aus?
Eines der ersten Anzeichen, dass die Kandidatur von Donald Trump je ernsthafte Wellen schlagen könnte, zeigte sich Ende 2015 im Subreddit /r/The_Donald. /r/the_donald war anfangs ein fester Teil der breiten Reddit-Kultur, voller Memes, Häme und mehr auf Entertainment aus als ernsthaften politischen Diskurs. Während andere politische Subreddits über die Zukunft des Mindestlohns und Freihandel diskutierten, ging es auf /r/The_Donald um den “Trump-Train”, “Pepe the Frog” und natürlich “Drain the Swamp” - inhaltslose Slogans und Memes.
Gerade zu Beginn waren sich viele Reddit-User unsicher, ob der Subreddit überhaupt ernst gemeint sei. Genau deshalb funktionierte das Konzept: /r/The_Donald war eine digitale Gaudi mit integriertem Cybermobbing Andersdenkender - und damit wahnsinnig attraktiv zur Rekrutierung von Trump-Fans. Noch 2016 sagte einer der Chef-Mods von /r/The_Donald in einem Interview mit Vice:
I actually figured it would just be a nice place for a small group of supporters to have fun triggering anti-Trump people and, frankly, laughing with Trump at the same time.
Vor allem das “Lachen” war ein wichtiger Faktor. /r/The_Donald war von 2015 bis 2017 ein wesentlicher Teil der Reddit-Kultur und wahnsinnig einflussreich. Slogans und Videos aus dem Subreddit wurden von Trump höchstpersönlich verwendet nd die Ästhetik und Sprache des Subreddits waren so omnipräsent, dass sie 2017 die Vorlage für die Martin Schulz-Meme-Kampagne rund um den “Schulz-Zug” bildeten.
Ab 2018 begann Reddit die Reichweite des Subreddits stark einzuschränken. Als /r/The_Donald 2020 dann offiziell gesperrt wurde, waren die meisten User bereits auf eine selbstgebaute Alternative umgezogen: Die Website thedonald.win, die immer noch aktiv ist und wohl auch bei den Planungen des Kapitolsturms eine Rolle gespielt hat. Die Seite hat jede Menge aktive Nutzer (vermutlich weniger als zu Reddit-Zeiten, das lässt sich wegen der Intransparenz der Plattform nicht sicher sagen), doch sie hat ihr “Herz” komplett verloren.
Wo früher Memes waren, ist seit einem Jahr nur noch Wut. Wo früher ein hochgeschaukelter Beef mit einem linken Subreddit stattfand, sind heute nur noch tausende Menschen mit der gleichen Meinung, die sich diese gegenseitig ins Gesicht brüllen. Für Trump-Fans sicher irgendwie eine attraktive Umgebung - aber niemand würde sich diese Seite ansehen und denken “Trump-Fan zu sein muss eine tolle Sache sein”. Dazu kommen häufige Serverprobleme, schlechte Technik, etc...
Auch wenn /r/The_Donald ein spezieller Fall ist, glaube ich, dass die dortigen Struggles sich auch auf andere rechte Social Media-Plattformen anwenden lassen. Parler, Gab und Bitchute haben für Menschen, die im Netz nichts anderes tun wollen als wütend zu sein, zwar einen gewissen Reiz. Aber das ist nicht die Mehrheit der Menschen. Es ist nicht einmal die Mehrheit der Trump-Wähler.
Vor allem eine Parler-artige Plattform steht hier vor einer monumentalen Aufgabe: Einen Anmelde-Grund zu liefern, der aus mehr besteht als “Hier wirst du nicht gesperrt, wenn du QAnon-Propaganda verbreitest”. Seit einem Jahr bekommt Parler jedes Mal, wenn Twitter wieder ein paar große Accounts sperrt, einen Schwung neuer User dazu - und fällt danach wie ein Stein aus dem App Store. Bedeutet: Niemand holt sich Parler via Mundpropaganda. Die Plattform wächst nur, wenn prominente Rechte auf Twitter gesperrt werden.


Es gibt auf Parler keine Celebrities (außer sie sind Trump-Fans) und keinen nicht-politischen Content (wie Brian C. Parker in SFGate schreibt, bekam er auf Parler nur 28 Treffer für #CuteDogs vs 335.223 Treffer für den QAnon-Hashtag #wwg1wga). Die Plattform ist voll mit Spam und sich wiederholenden Posts. Macht man einen Willkommen-Post, dauert es nur ein paar Minuten, bis sich die ersten Trump-Spam-Kommentare darunter sammeln. Und egal, wo auf der Seite man sich gerade befindet, man ist immer nur einen Klick von Nazi-Propaganda entfernt.

Eine solche Plattform skaliert nicht. Eine solche Plattform ist unmöglich werbefreundlich zu bekommen. Denn sobald Parler auch nur der Idee von Content-Moderation nahe kommt, wird Parler für die QAnon-Crowd so untragbar wie Twitter.
Und das Schlimmste: Parler ist öde. As. Fuck. Genau wie /r/The_Donald ohne die Reddit-Umgebung um sich herum langweilig und traurig geworden ist, leidet auch Parler massiv an seinem Echokammern-Status. Für Trump-Fans gibt es keine Liberalen zum Anschreien, keine Demokraten zum Haten.
Auf Twitter leben viele Blasen von ihren Feinbildern. Die Grünen haben Friedrich Merz. Die AfD hat Luisa Neubauer. Linke haben andere Linke. Darin liegt der Reiz an den Polit-Bubbles auf Social Media. Das versteht auch Ted Cruz, erz-republikanischer US-Senator und selbsterklärter Parler-Fan, der sich trotzdem immer liebend gern mit AOC anlegt. Wo? Natürlich auf Twitter. Weil das nur da geht.


Trotz Willensstärke, Geld und technischer Infrastruktur gibt es wenig Hinweise darauf, dass Parler tatsächlich eine erfolgreiche Social Media-Umgebung liefern kann. Und das nicht erst seit den Problemen mit Apple, AWS und Google. Schon in einem Politico-Artikel im Sommer 2020 wurden mehrere rechte Influencer zitiert, die den Nutzen an Parler nicht sehen. “I would love to be able to leave for Parler,” sagt der konservative Autor Will Chamberlain. “I would love to ignore Twitter, but my job isn’t just getting engagement. My job is influencing public conversation, the way I see it. And I need Twitter for that.”
Ich sehe nur eine sehr eingeschränkte Zukunft für primär rechte Social Media-Plattformen. Egal wie clever diese Seiten es anstellen, sie werden immer nur das Schlechteste an Social Media anbieten können - ohne alles, was daran Spaß macht. Parler ist letztlich nicht viel mehr als eine übergroße rechte Telegram-Gruppe - und auch wenn diese Gruppen beängstigend viel Zuwachs bekommen, ist die Zahl der Menschen, die ihre komplette Social Media-Experience freiwillig gegen ihre Schwurblerkollegen eintauschen würden, immer noch nicht allzu hoch.
* Voat, das rechte Reddit, ist seit dem Jahreswechsel übrigens offline. So ganz hat das Geschäftsmodell wohl nicht funktioniert.
Schimmeln für Bibi
Bibisbeautypalace hat eines ihrer vermutlich dutzenden iPhones im Schrank verloren, es Monate später samt irgendwie verschimmelter Hülle wieder herausgezogen und die Hülle für über 100.000 Euro auf eBay versteigert, dann aber doch nicht, weil es ein Risiko mit den eBay-Gebühren gab und was weiß denn ich.
Trotz leichter Unstimmigkeiten in der Story haben Bibi und Julian das Ganze bis zur Unkenntlichkeit ausgewrungen (ich google die richtige Beugungsform jetzt nicht) - mit mehreren YouTube-Videos und einem Haufen Instagram-Content.
Mein Lieblings-Take dazu kam von RobBubble im Lästerschwestern-Podcast:
Ich wünsche mir das auf jeden Fall als Content Creator. Dass ich einfach mal morgens aufwache, ich stolper über eine verschimmelte Handyhülle und weiß: Die ganze Woche an Arbeit hat sich gerade erledigt. Ich hab Content für Days!
Und Muck Rack verrät: Weil auch Promiflash und der Rest der Influencer-Presse ausführlich über die Story berichtet haben, ist Bibisbeautypalace wegen der Schimmel-Story diesen Monat jetzt schon in mehr Presseartikeln gelandet als in irgendeinem Monat des letzten halben Jahres. Good job!

Tiere für Lena
Mein erster Themenvorschlag von einer Leserin!
Natürlich, Lena!
Dieser niedliche Racker stammt von /r/hybridanimals, einer Reddit-Community, die schon seit sieben Jahren verschiedene Tiere zu unseligen Kombinationen verschmilzt. Wie das Ganze angefangen hat, ist wie so oft den Staubschichten der Internetgeschichte zum Opfer gefallen.
Stattdessen freuen wir uns einfach über Knuffelexemplare wie das Bärninchen

und den Kroktopus.

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bis bald in meiner eigenen social media-plattform, in dem alle posts außer meinen eigenen gesperrt werden!
🤗,